21. Abbau der Demokratie – via Brüssel

Tagesgedanke:

Immer mehr Politikbereiche werden nach oben und außen verlagert. Sie werden den Volksvertretern und erst recht dem Volk dauerhaft entzogen. Das ist Politik ohne Volk, Herrschaft der Kommissare und der geheimen Kommissionen.

Zum Nachdenken über Tags:

Der Bundestagspräsident Lammert erbat vom Justizminister Maas ein Gutachten. Es ging um die Frage, ob der Bundestag dem sehr umstrittenen Transatlantisches Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) zustimmen muss. „Nein“, sagte das Justizministerium mit allerlei Begründungen. [Handelsblatt vom 15.01.2016] Ende 2015 hatten in Berlin über 150.000 Bürger gegen TTIP demonstriert [Tagesschau]. Auch die Gewerkschaften waren dabei.

Nun sind 2016 vier Landtagswahlen und 2017 die Bundestagswahl. Da wäre es störend, wenn Debatten und Abstimmungen im Bundestag die Bevölkerung „beunruhigten“. So war die Antwort des Ministers und seines Ministeriums ein klares Nein. Das ist eine bequeme, eine staubfreie Lösung.

Lammert, der immer wieder als rechtstaatlich auffällt, war damit nicht zufrieden. Er bat den „Rechtsausschuss“ des Bundestags um eine Expertenanhörung. Alle geladenen Professoren waren der Meinung, der deutsche Bundestag müsse über so eine wichtige Sache abstimmen. In der Schweiz muss solchen völkerrechtlichen Verträgen der Souverän, das Stimmvolk zustimmen.

Die hilflose Frage der Abgeordneten war: „Was sollen wir machen?“ Die Antwort des Bielefelder Europarechtler Franz Mayer war ganz einfach: „Just do it - Machen Sie ein Gesetz!“ Wenn die Regierung damit Probleme hat, kann sie ja zum Bundesverfassungsgericht gehen. [Handelsblatt vom 15.01.2016] Manchmal vergessen die Abgeordneten, dass sie die „gesetzgebende Gewalt“ sind.

Zur Vertiefung:

Preisfrage: Werden die schwarzen und roten Abgeordneten gegen ihre Regierung stimmen? Wir haben längst keine Gewaltenteilung mehr. Was „alternativlos“ ist, muss abgenickt werden. Kauder hat schon bei den Griechenland-Abstimmungen den Abweichlern mit Ausschluss aus den Ausschüssen gedroht. [z.B. t-online-Nachrichten 10.08.2015] Tatsächlich stehen noch viel bessere und ertragreichere Posten auf dem Spiel.

Dies ist ein Beispiel für viele. Das Nächste brachte Alt-Kanzler Gerhard Schröder: „Man muss den Eindruck gewinnen, als hätten nationale Grenzen keine Bedeutung mehr. Das ist gefährlich, und das ist auch nicht richtig.“ [Handelsblatt 15.01.2016] Mit dem Schengener Abkommen wird alles entschuldigt.

Es gehört zum Alltagegeschäft, bei Fragen, in denen die eigene Politik versagt oder Ratlosigkeit herrscht, Brüssel für zuständig zu erklären. So will Merkel gerade die von ihr verursachte Flüchtlingskrise abschieben; dazu noch wegen der UN-Flüchtlingskonvention für alternativlos erklären. Doch wenn das Volks richtig aufsteht, geht es plötzlich.

Das Kernproblem ist, dass niemand genau weiß und es nirgends steht, wofür Brüssel nicht zuständig ist. Wie Brüssel vorgeht, schilderte einmal Jean-Claude Junker, Kommissionspräsident: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ Noch deutlicher war Delors, ehem. Kommissionspräsident: „Wir können gar nicht demokratisch sein in der EU. Sonst bringen wir unsere Projekte ja nicht durch.“ [Koydl, Besserkönner, S. 147 ff. mit weiteren Beispielen]

So läuft es mit den Verhandlungen über TTIP, TiSA, die Aufnahme der Türkei in die EU usw. Der Ex-Außenminister Klaus Kinkel meinte auf besorgte Fragen in einem Vortrag in Stuttgart vor Landräten und Bürgermeistern: „Wir haben der Türkei den EU-Betritt schon so oft versprochen. Wir müssen sie aufnahmen.“ Wer und wann? Die Außenminister bei Festessen?

Was nicht unbedingt nach Brüssel muss, hat dort nichts zu suchen. Eine Europäische Verfassung ist nötig. Sie muss wie unser Grundgesetz genau festlegen, was Brüssel darf, alles andere darf Brüssel nicht.

Wir brauchen im 21. Jahrhundert ein strategisch denkendes und handelndes Europa, aber genauso brauchen wir die Demokratie. Die Zeit und das Volk sind reif für den Bürgerstaat!

Dienstag: Wozu brauchen wir Politiker?

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