Dieser und die drei vorangegangenen Blog-Berichte bilden eine Einheit.
- Geldschöpfung ohne Wertschöpfung
- Der Mittelstand schmilzt wie das Eis im Klimawandel
- TTIP ist kein guter Tipp, aber TiSA ist das Raubtier
Jetzt kommen wir zur Gegenstrategie.
Wir wollen als erstes eine echte Marktwirtschaft und keinen von oben und außen gesteuerten Weltkapitalismus, der uns arm und unfrei macht. Doch dann muss noch etwas dazu kommen, die produzierende Realwirtschaft. Sie verlangt das Gegenteil von Deindustrialisierung. Bevor der Markt verteilen kann, muss eine erfinderische und am Kundenbedarf ausgerichtete Güterwirtschaft die benötigten Waren und Dienste erstellen. Dort liegen die Wurzeln unseres Wohlstands. Da unsere Betrachtung beim Volk beginnt, sprechen wir von Volkswirtschaft; die Marktwirtschaft ist nur ein Teil vom Ganzen. Wir betrachten im Folgenden zuerst die Arbeitsweise eines kundenbezogenen Marktes. Zum Schluss und in folgenden Blog-Berichten entwickeln wir die Grundzüge einer Sozialen Volkswirtschaft.
Als 1989 die Mauer gefallen war, konnten sich die Deutschen aus beiden Teilen des Landes gegenseitig besuchen. Das erste, was sie feststellten, war: Im Westen gab es alles, im Osten ganz vieles nicht. Im Westen hatten wir den „Markt“. Er ist eine sehr demokratische, ja sogar bürgerstaatliche Einrichtung. Denn an jeder Ladenkasse wird bei jedem Kauf durch einen Bürger abgestimmt, was hergestellt werden soll. So sollte ein „vollkommener Markt“ verlaufen.
Doch die „Geldschöpfung ohne Wertschöpfung“ seit 1990 führte zur Finanzkrise von 2007 und die leichtfertige Art der Einführung des Euro 1999 zur heutigen Eurokrise.
Inzwischen tauschen die superreichen Großgeldbesitzer ihre „Wert“-Papiere in Sachwerte. Sie kaufen die Welt und enteignen so den Mittelstand und den Rest der Menschheit. „Der Mittelstand schmilzt wie das Eis im Klimawandel“ Mit TTIP und TiSA, den Transatlantischen Handelsabkommen, wollen die neuen Weltbeherrscher sich diesen Zugriff absichern und dauerhaft ermöglichen. „TTIP ist kein guter Tipp, aber TiSA ist das Raubtier“
Bei unserer Gegenstrategie betrachten wir zuerst den „vollkommen Markt“. Dann fragen wir: Warum bringt uns die heutige Wirklichkeit das Gegenteil? Welche Wege führen aus der Krise?
Geld ist im machtfreien, im „vollkommenen Markt“ ein Abstimmungsmittel der Bürger. Es steuert die Wirtschaft von unten, von der Ladenkasse über die Bestellungen des Einzelhändlers bis zu den Herstellern. In der Planwirtschaft des Ostens war das umgekehrt. Oben saßen ein „paar schlaue Köpfe“, die dachten sich ganz genau aus, was die Menschen unten in den Städten und Dörfern, in ihren Familien und Haushalten brauchten. Das ist schief gegangen.
Das Marktmodell unterscheidet sich vom Sozialismus und (!) vom Weltkapitalismus durch seine Steuerung von unten nach oben. Wenn es klappt, dann ist der Kunde König. Denn der Kunde oder Verbraucher oder schlicht der Bürger bestimmt durch seine Kauf-Entscheidungen, welche Waren der Kaufmann beim Hersteller bestellt. Die Fabrikanten fertigen das an, was ihre Kunden, also die Kaufleute, bei ihnen ordern. Dazu brauchen die Fabrikbesitzer Maschinen. Diese Anschaffung wird Investition genannt. Die Hersteller von Maschinen bauen genau die Geräte, die bestellt werden.
Nun brauchen alle Geld, um ihre Bestellungen zu bezahlen. Geld war bis 1973 Gold (Goldstandard des Bretton-Wood-Abkommens). Die klassische Markttheorie sagt, Gold oder Geld ist eine Ware wie jede andere. Der Bauer bekam Gold- oder Silbermünzen, wenn er seine Erzeugnisse verkaufte. Der Arbeiter und der Fabrikbesitzer bekamen für ihre Leistung ebenfalls goldgedecktes Geld.
Wie viel Goldgeld jeder der vielen Marktteilnehmer bekommt, bestimmt der Markt. Schauen wir auf den samstäglichen Gemüsemarkt. Jeder Käufer schaut sich zuerst einmal um. Wo sind die schönsten Äpfel (Qualität) und wo sind diese am günstigsten (Preis)? Kein Bauer kann sich auf den Markt stellen und ein beliebiges Preisschild an seinen Apfelkorb heften. Entweder sind alle Äpfel weg und er hat nicht genug verdient oder er nimmt fast alle wieder mit heim. Der Markt bestimmt nicht nur den Preis, sondern auch die Qualität. Der richtige Preis spielt sich ohne Beeinflussung durch einzelne Käufer oder Verkäufer genau dort ein, wo alle damit leben können. Zu hohe Preise locken Konkurrenten an, bei zu niedrigen scheiden alle Anbieter aus, die nicht damit auskommen.
Hier müssen wir nun zwischen Theorie und Wirklichkeit unterscheiden. Nach der klassischen Theorie liegt der richtige Preis dort, wo der Markt geräumt und alle knapp, aber immerhin davon leben können (Grenzkosten- und Grenznutzentheorie). Superreiche gibt es in diesem Modell nicht. Doch gerade im vollkommen freien, ungeregelten Markt setzen sich die Superreichen, die wirtschaftlich Stärksten durch. (Das will die „soziale Marktwirtschaft“ verhindern.)
Auch der Lohn pendelt sich in der Theorie beim Überlebensminimum ein. Vor allem der Arbeitswert bestimmt die Preise (Arbeitswerttheorie). Diese zum Äußersten getriebene Grenznutzentheorie ist die wenig verlockende Seite des Marktmodells. Preisabsprachen und Verbände aller Art sind nach der Theorie böse und verboten. (Hier wollen die „soziale Marktwirtschaft“ und die Gewerkschaften Abhilfe schaffen.)
Nun fehlt noch etwas. Wer einen schönen Laden einrichten, ein Häusle oder gar eine Fabrik bauen will, braucht meist mehr Geld, als er hat. Banken sind noch nötig. Dort tragen die Leute ihr Geld hin, das sie für die Not oder das Alter oder aus anderen Gründen sparen, nicht sofort verbrauchen (konsumieren) wollen. Dieses Geld verleiht dann die Bank an Leute, die etwas anschaffen (investieren) wollen. Dafür verlangen aber der Sparer und die Bank etwas. Das ist der Zins oder der Preis für das Ausleihen von Geld. Auch das ist in der Theorie des vollkommenen Marktes ein Marktpreis, weil keiner wirtschaftlich so stark ist, dass er die Zinshöhe bestimmen oder manipulieren kann. (In der Welt des Papiergelds bestimmen die Zentralbanken und andere mächtige Marktteilnehmer die Zinshöhe.)
Und da sind wir beim letzten Punkt. Alles läuft im Modell wie von selbst, wie von einer unsichtbaren, gar göttlichen Hand gesteuert. Wozu brauchen wir da noch den Staat? Die Antwort gab schon der heilige Augustinus: Nur, weil es Mörder und Räuber gibt.
So sah es auch Adam Smith, der Vater der Wirtschaftswissenschaft (1723 – 1790) (Der Wohlstand der Nationen, übersetzt v. Claus Recktenwald, München 1974, S. 371). Nur muss bei ihm der Staat noch die Zünfte, die Kaufmannsgilden und alle sonstigen Störer des Marktes verbieten. Letztlich muss er – wie seit uralten Zeiten – nur die innere und äußere Sicherheit gewähren. Das ist beim liberalen Modell vor allem die Sicherheit des Eigentums und der Person. Der Rest läuft von allein, und zwar richtig und gerecht. Die alten und neuen Liberalen meinen und erwarten das bis heute. Die Großgeldbesitzer und die Weltkapitalisten nutzen diese Arglosigkeit aus. (Auch der „vollkommene Markt“ ist eine verkürzte, unvollkommene und damit z.T. falsche Abbildung der Wirklichkeit – wie jedes Modell, jede Theorie.)
Daher ist nun unsere Frage: Warum richtet sich die Wirklichkeit nicht nach der Theorie?
Das hat die Wirtschaftswissenschaftler 2007 / 2008 kalt erwischt. Die Finanzkrise war im Modell nicht vorgesehen. Die Weltwirtschaft stand am Rand des Zusammenbruchs, dazu nahm die Euro-Krise ihren Lauf.
Die Wirtschaft ist seither in schwieriger Lage, die Wirtschaftswissenschaft in einer ernsten Krise. Der amerikanische Star-Ökonom Rogoff sagt: „Unsere Modelle sind sehr elegant, aber sehr, sehr erfolglos.“
Das Modell des vollkommenen Marktes ist die Ausnahme. Rogoff zieht daraus Schlüsse: „Nun ist die Zeit für mehr Experimente gekommen, für die Erforschung der Unvollkommenheit der Märkte.“ (Handelsblatt 23.01.2012) Wo wir hinschauen, sind Machtmärkte (Mono- und Oligopole), Kartellmärkte oder Staatsmärkte. Sie sind die Regel.
Heute erleben wir noch etwas ganz anderes. Der Weltkapitalismus ist dabei, die Steuerung von oben zu übernehmen. Außerdem ist es ihm gelungen, klammheimlich die Politik und die Staatsapparate nachhaltig zu beeinflussen (Lobbyismus). Doch alles lässt sich steigern. Ein kürzlich bekannt gewordenes geheimes Papier der EU-Kommission enthält den Vorschlag einer „Regulatorischen Kooperation“. Damit sollen EU-Gesetze künftig zunächst von Konzernen und der US-Regierung geprüft und so mitbestimmt werden. Was den Interessen der Großen und der Konzerne zuwider läuft, fällt durch den Rost. Die gewählten Abgeordneten dürfen noch „alternativlos zustimmen“, abnicken.
(Dem Lobbyismus widmen wir später einen eigenen Blog-Bericht.)
Die Folgen einer kapitalistischen Wirtschaftslenkung von oben sowie Geld- und Schuldenberge größer als die Realwirtschaft sind nicht neu. Es waren Reparationen und Kriegsschulden nach dem I. Weltkrieg, die große Geldentwertung von 1923 (Hyperinflation), die Weltwirtschaftskrise ab 1929, die Währungsreform von 1948 und gelegentliche Staatspleiten (z.B. Argentinien).
Dagegen haben ab den 1930er Jahren deutsche Wirtschaftswissenschaftler und Juristen der „Freiburger Schule“ das Modell der „Sozialen Marktwirtschaft“ erarbeitet. Diese Theorie wird auch Ordoliberalismus genannt. (Ludwig Erhard und seine Berater wie Alfred Müller-Armack haben vor allem dadurch die Grundlagen für das deutsche Wirtschaftswunder geschaffen.) Es bietet richtige Ansätze, muss aber als Gegenstrategie zeitgemäß weiterentwickelt werden.
Ab den 1960er Jahren sind die Vorstellungen der „Sozialen Marktwirtschaft“ oder des „Ordoliberalismus“ in Vergessenheit geraten. Der reine Neoliberalismus der US-Ökonomen (z.B. Milton Friedman) bestimmte den Zeitgeist und die Politik. So durften die Finanzmärkte frei laufen, wurden dereguliert.
Das änderte sich, nachdem 2007 die Weltwirtschaft am Abgrund stand. Inzwischen schwärmt sogar Sahra Wagenknecht von der Partei „Die Linke“ vom Ordoliberalismus. Im Cicero, Magazin für politische Kultur, wurde sie gefragt:
Cicero: „Sie sprechen im Vorwort Ihres Buches über den Ökonomen Friedrich August von Hayek, zitieren an späterer Stelle vor allem Walter Eucken und Alfred Müller-Armack, loben Ludwig Erhard und Joseph Schumpeter. Ihr Buch klingt wie ein ordoliberales Manifest. Wagenknecht: „Ich denke, dass der Ordoliberalismus sehr interessante Fragestellungen enthält, die noch heute aktuell sind. Beispielsweise hat Eucken das Problem wirtschaftlicher Macht und die Zerstörungspotentiale großer privater Machtkonzentration prominent thematisiert. Das wurde alles vergessen und verdrängt. … Wenn man wirklich zu Ende denkt, was die Ordoliberalen angesprochen haben, kommt man zu dem Ergebnis, dass wir eine andere Wirtschaftsordnung brauchen.“ (Cicero,18. Mai 2011)
Die nächste Antwort beginnt Wagenknecht mit der richtigen Feststellung: „Marktwirtschaft und Kapitalismus sind zwei verschiedene Dinge.“ (Allerdings entfernt sie sich im weiteren Verlauf des Interviews z.T. weit von den Vorstellungen des Ordoliberalismus.)
Doch es wäre ein großer Fortschritt, wenn auch bei uns wie in der Schweiz alle Parteien von rechts bis links miteinander Lösungen suchten. Dazu empfehle ich das Buch von Wolfgang Koydl, Die Besserkönner, Was die Schweiz so besonders macht (2014). Es hat ein Nachwort von Christoph Blocher (SVP, Initiator der Volksabstimmung „Gegen die Masseneinwanderung“) und von Jean Ziegler (Linksaußen der SP). „Das Schweizer Modell sprengt ideologische Raster. Denn letztlich geht es um etwas sehr Einfaches: dass freie Individuen frei darüber entscheiden können, was das Beste für ihre Gemeinschaft ist.“ (Koydl, S. 14)
Wie der Schweizer Bürgerstaat baut sich auch die Wirtschaftsordnung der „Freiburger Schule“ von unten nach oben auf. Geradezu leidenschaftlich hat dies mitten im Weltkrieg Wilhelm Röpke im Schweizer Exil in seinem Buch „Civitas Humana – Grundfragen der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung“ (1943) dargestellt. Er wollte – wie Ludwig Erhard mit seiner „Denkschrift“ vom gleichen Jahr – Grundlagen für eine deutsche und europäische Wirtschaftsordnung nach dem II. Weltkrieg schaffen. Dabei spricht sich Röpke „im Namen echter Marktwirtschaft gegen Monopolismus, Konzentration und Kolossalkapitalismus“ (Röpke, S. 80), gegen kapitalistischen „überstaatlichen Kollektivismus“ (S. 394) aus.
Erhards „Denkschrift“, die in der gleichen Zeit entstanden ist (1943), behandelt ein ganz aktuelles Thema: Wie kann der Berg von Kriegsschulden in Form von Papier-„Geld“ und „Wert“-Papieren mit der viel zu kleinen, vorhandenen Güterwirtschaft in Einklang, ins Gleichgewicht gebracht werden? Die Antwort war die Währungsreform. (Ich erinnere mich noch genau. Meine Mutter kam heim und sagte ganz erregt: „Es gibt alles in den Geschäften. Und die Leute kaufen und kaufen. Dabei hat doch jeder nur 40 DM bekommen.“)
Geben wir zuerst unserem Gegenentwurf einen Namen. Nennen wir ihn „Soziale Volkswirtschaft“. Das ist mehr und genauer als „soziale Marktwirtschaft“. Denn von unten, vom Kunden und Bürger soll das Ganze aufgebaut und gesteuert werden; seine Bedürfnisse sollen bedient werden. Die Wirtschaft dient dem Menschen, nicht umgekehrt. Die Länder der Dritten Welt, aber auch arme EU-Länder wie Griechenland brauchen vor allem nicht mehr Geld und mehr Kredite, sondern eine von unten über Handwerk und Mittelstand, moderne Technik und Erfindungen aufgebaute Realwirtschaft. Wenn diese fehlt nützen alles Geld und alle Kredite nichts. Wie das gelingen kann, zeigt keine Marktwirtschaft, sondern nur eine auf diesem industriellen Fundament aufgebaute Volkswirtschaft. Das sah übrigens die ältere deutsche und kontinentaleuropäische Volkswirtschaftslehre genauso. [vgl. Erik Reinert, Warum manche Länder reich und andere arm sind, Stuttgart 2014]
Dieser Name ist Programm und Strategie zugleich. „Strategie“ konzentriert sich nach Clausewitz auf das ganz Wesentliche und Wichtige. Sie ist sehr einfach, aber deswegen für viele sehr schwer, vor allem in der Umsetzung (Carl von Clausewitz, Vom Kriege, ungekürzte Ausgabe, Ullstein 1980, S. 77, 84, 108, 150). Ohne Strategie, ohne Festlegung der großen Ziele, gibt es keinen Weg zu den Zielen. Denn ohne Ziel ist jeder Weg falsch. Die „Wege zu den Zielen“ nennen wir Taktik.
(Viele kennen nur Taktik und haben keine Strategie. Sie fahren den Karren in den Dreck oder an die Wand. – Dazu noch ein Grundgedanke von Clausewitz: „Das strategische Ziel des Krieges ist nicht der Sieg, sondern der Friede.“ Clausewitz, a.a.O., S. 104 ff.)
Die Soziale Volkswirtschaft braucht auf beiden Seiten den Mittelstand, um erfolgreich zu sein: in der Bürgerschaft (Nachfrage) und in der Wirtschaft (Angebot).
Für die Bürgerschaft gehen wir von Ludwig Erhards Programmsatz aus: „Wohlstand für alle“ Auch ihn fassen wir genauer und fordern: „Mittelstand für alle“. Das ist zugleich anspruchsvoller und bedeutet:
- Die Bürger sollen weder arm noch superreich sein; ein angemessener, nicht üppiger „Wohlstand für alle“ ist das Ziel. - Alle sollen mindestens ein mittleren Schulabschluss und einen Berufsabschluss haben. Die Schweiz schafft das bei 92% der Schulabgänger (Schweizer Bildungsbericht 2014). Das ist die Voraussetzung für die Eingliederung in die moderne Erwerbswelt als Fach-, Forschungs- oder Führungskraft. Alle werden gebraucht! (dazu: Pfreundschuh, Die Mittelschule – Reform der Sekundarstufe I) - „Eigentum für alle Bürger“ ist die Voraussetzung für soziale Sicherheit und persönliche Unabhängigkeit. Ein Mittelständler sollte eine Immobilie oder ein Grundstück, Kapitalgüter oder ein eigenes Unternehmen haben.
Auch die erwähnten Francis Fukuyama und Wilhelm Röpke haben im Grundsatz diese Merkmale zur Bestimmung des Mittelstands herausgearbeitet (Fukuyama, Rettet die Mittelschicht, in: Cicero, Magazin für politische Kultur, 2/2012, S. 64; Röpke, Civitas Humana, a.a.O., S. 223 ff.)
Solch ein mündiger, souveräner und angemessen begüterter Bürger zeichnet sich dadurch aus, dass er in der heutigen Erwerbswelt Nutzen stiften kann. Dafür erhält er seinen Lohn, der ihm Geld und Kaufkraft bringt. – Außerdem ist er Stimmbürger und der Souverän, von dem alle Staatsgewalt ausgeht. Wahlen und Abstimmungen (Art. 20 Grundgesetz) gehören dazu.
Das Thema „gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung“ steht nicht nur wegen Pikettys Buch „Das Kapital“ auf der Tagesordnung. Ganze Regale von Büchern, Blogs und Fernsehsendungen treibt das Thema um. Piketty fordert eine massiv progressive Einkommensteuer. Damit gefährdet er aber die andere Seite des Marktes, die mittelständische produzierende Wirtschaft. Denn die Großkonzerne zahlen keine oder kaum Steuern. Die neuen Großgeldbesitzer hat er als eigene Spezies gar nicht im Blick. Wie wir an deren unverdientes Geld kommen und ihre Aufkaufstrategien durchkreuzen, sagte er nicht.
Dort, bei den „institutionellen Anlegern“ (Hedgefonds, Heuschrecken) gibt es Jahresgehälter (!) von über 1.000 Mio. US-$: „Wer regt sich über Millionen-Gehälter auf? Erfolgreiche Manager von Hedgefonds rechnen in Milliarden.“ Rund 3,5 Mrd. US-$ war der höchste, bekannt gewordene Jahresgehalt (Handelsblatt 02.03.2015, S. 34). Diese Leute spielen verrückt, und wir sollen mitspielen.
In der Wirtschaft nennt Warren Buffet (siehe 3. Blog-Bericht) unseren Mittelstand den „Code für Deutschland“, den er knacken, uns also wegnehmen will. Adidas und Bayer, Allianz und Daimler gehören den Großgeldbesitzern schon mehrheitlich. Jetzt wollen sie das Rückgrat unser Wirtschaft und unseres Exports, die „heimlichen Weltmeister“ (Hidden Champions). Die brauchen wir aber selbst – und davon noch mehr. Denn nicht zu wenig Geld, sondern eine Techniklücke (Pfreundschuh, „4.3 Die Wirtschaft, S. 63 ff.) und eine völlig verfehlte Bildungspolitik (Pfreundschuh, Die Mittelschule – Kurzfassung, S. 12 ff.) sind die Ursachen dauerhafter Arbeitslosigkeit – in Deutschland und ganz Europa.
Unsere Wirtschaftswissenschaftler bieten keine Lösungen zur wachsenden wirtschaftlichen Ungleichheit. Zur Behebung der Ungleichgewichte in der Volkswirtschaft (Arbeitslosigkeit, Wachstumsschwäche) empfehlen sie entweder billiges Geld (Monetaristen) oder Staatsschulden (Keynesianer); beides versagt in diesen Tagen vor unseren Augen.
Das wollen wir uns im nächsten Blog-Bericht genauer anschauen.
Geld- oder Globalsteuerung: Fehlsteuerung