23. Der Finanz-Krake das Maul stopfen: Nochmals Traget-Salden

Das Thema zieht immer größere Kreise. Nach Handelsblatt (z.B. 07.06. und 06.07.18), der ZEIT (z.B. 09.07.18) ist auch die FAZ eingestiegen (14.07.18 „Ein Wahnsinn namens Target 2“). Das war am selben Wochenende, an dem unser Blog-Bericht erschien; und wir dürfen uns freuen, es wurde der gleiche Vergleich gezogen:

„Bei welcher Bank können die Kunden Kredite in beliebiger Höhe ohne irgendwelche Sicherheiten und ohne Begrenzung der Laufzeit zum Nullzins bekommen? Man sollte meinen, bei keiner. Doch genau das bietet die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Mitgliedern.“

Die Verharmlosung wie in der ZEIT vom 09.07.18 oder die Ahnungslosigkeit wie im Handelsblatt vom 06.07.18 scheint zu Ende.

Und an diesem Wochenende berichtet das Handelsblatt von Draghis Pressekonferenz. Er sei meist sehr nüchtern und neige zu technischer Sprache: „Am Donnerstag gab es ein paar Momente, in denen der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) emotional wurde. Vor allem bei einer Frage zum Verrechnungssystem Target 2 …“ Dazu wird Draghi wörtlich zitiert: „Target ist ein Zahlungssystem, das sehr gut funktioniert. Die Leute, die die Salden deckeln, ausgleichen oder absichern wollen, mögen den Euro nicht. Denn dies ist das System, über das in einer Währungsunion Zahlungen abgewickelt werden.“ [Handelsblatt, 27.07.18, Überschrift: „Draghi verteidigt den Euro – Die Kritiker des EZB-Zahlungssystems sieht er als Währungsgegner“, S. 32 f.]

Andere Verharmloser wie Scharnitz [ZEIT, 09.07.18] arbeiten zugleich mit der Angst. „Es gibt nur eine einzige Situation, in der die Salden relevant werden: Wenn ein Euroland die Währungsunion verlässt. Das kann natürlich passieren, aber dann droht ein gewaltiges Chaos an den Finanzmärkten und in der europäischen Politik. Die Target-Forderungen dürften dann von allen Problemen noch das Kleinste sein.“

Hans-Werner Sinn hat dieses Szenario durchgespielt und sieht es völlig anders. „Bei näherem Hinsehen ist dieses Drohpotential aber doch nicht so groß … Ein privates Finanzinstitut müsste eine Forderung, die sie nicht fällig stellen kann, die derzeit einen Zins von null trägt und die vielleicht später mal wieder einen echten Zins trägt, dessen Höhe dann freilich von den Schuldnern mitbestimmt wird, vollständig abschreiben.“ [FAZ, „Zahlungssystem Target: Fast 1000 Milliarden Euro“ – Aktualisiert am 17.07.2018 -09:28]

Doch inzwischen wird auch nachgedacht, wie der gefräßigen und ungebändigten „Finanz-Krake“ (Thomas Mayer, FAZ, 14.07.18) das Maul gestopft werden könnte. Wer Mayers Vorschläge lesen will, muss hier klicken. (Es geht z.B. darum, dass Käufer italienischer Anleihen das erhebliche italienische Risiko in das geringere deutsche tauschen; und wie dies durch Zinsspreizungen ausgeglichen werden könnte.)

Aus unserer Sicht lässt sich das Target-System nur durch ein geordnetes, die Risiken abbildendes Zins-System in Ordnung bringen. Wenn die Zentralbank eines Euro-Lands (z.B. Banca d’ Italia) ihr Konto überzieht, muss sie Überziehungszinsen zahlen. Dabei weiß jeder private Bankkunde, dass Überziehungskredite teurer sind. Denn es soll ein Druck zur Vereinbarung üblicher Kredite mit festen Tilgungsraten und –zeiten bestehen. Wer ein Guthaben hat, bekommt – jedenfalls in normalen Zeiten – Guthabenzinsen.

Denken wir an das im letzten Blog-Bericht angesprochene US-System. Dort müssen die Salden der Distrikt-Banken nicht nur jährlich ausgeglichen, sondern auch mit marktfähigen Wertpapieren zu einem Zinssatz von 6% (2012) gegenüber dem Gläubigerland bezahlt werden. [H.-W. Sinn, Die Tagegeld-Falle – Gefahren für unsere Geld und unsere Kinder, München 2012 S. 362 ff. (365)]

Nun haben wir eine Vision. Stellen wir uns vor, das zur Billion angewachsene deutsche Auslandsvermögen „Traget-Salden“ würde nur mit 2 % verzinst. Das wären dann 20 Mrd. Euro jährlich. Das Geld könnte in einen Staatsfonds (vergleichbar dem in Norwegen) fließen. Dort könnte es für Investitionen, F & E (Forschung & Entwicklung), stille Beteiligungen u.ä. bei KMU (= Kleine und Mittlere Unternehmen) eingesetzt werden. Das wäre eine Politik zur Arbeitsplatz- und Zukunftssicherung und für den Mittelstand, bei dem derzeit Chinesen und Hedge-Fonds massiv aufkaufen.

Der Vorschlag entspricht auch der Marktwirtschaft. Denn Guthaben bei einer Bank entsprechen Ersparnissen. Das gilt auch für Target-Guthaben. Und Ersparnisse (S), die nicht konsumiert werden, sollen in Investitionen (I) fließen. (S = I Das ist volkswirtschaftliches Grundstudium.) Wer wie die Süd-EU Ersparnisse der Nord-EU ohne Zinsen konsumiert, der verhindert Investitionen. Und in ganz Europa wird über eine Investitionsschwäche geklagt.

Diese Schwäche will die EZB mit Staatsverschuldungen und Null-Zinsen überwinden. Doch das funktioniert nicht. Sparen als Investitionsgrundlage ist heute aus dem Blick geraten.

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