5. Die Wahrheit der Marxisten

Tagesgedanke: Der Marxist behauptet, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Menschheit klar zu erkennen. Denn der Marxismus beansprucht, wahre Wissenschaft zu sein.

Bis zum Untergang der DDR war im amtlichen Lehrbuch zu lesen: „Der Marxismus-Leninismus ist eine Wissenschaft, deren Erkenntnis erforderlich ist, um als guter Spezialist und aktiver Erbauer der kommunistischen Gesellschaft wirken zu können. In der politischen Ökonomie, der Philosophie und der Geschichte der kommunistischen Partei der Sowjetunion bewandert zu sein, die Werke von Karl Marx, Friedrich Engels und W. I. Lenin sowie die Beschlüsse der Parteitage und der Plenartagungen des Zentralkomitees der kommunistischen Arbeiterpartei zu kennen heißt, Vergangenheit und Gegenwart richtig zu verstehen, die Zukunft der Menschheit klar zu erkennen.“ [Quelle: Politische Ökonomie – Kapitalismus, h. g. von einem Autorenkollektiv, vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der UdSSR als Lehrbuch anerkannt, Berlin 1973, S. 7]

Im 19. Jahrhundert galt in der Wissenschaft die sog. „Widerspiegelungstheorie“. Sie sagt, dass sich die Welt in unserem Kopf so abbildet und widerspiegelt, wie sie ist. Karl Marx, ein Kind des 19. Jahrhunderts, glaubte dies auch. Die andere große Ideologie des 19. Jahrhunderts, der Liberalismus, sieht seine Theorie ebenso als wahr und alternativlos an.

Dagegen sagen heutige Hirnforscher:

„Jeder von uns lebt innerhalb des Universums - des Gefängnisses - seines eigenen Gehirns. Von ihm gehen Millionen gebrechliche sensorische Nervenfasern aus, die in Gruppen auf einzigartige Weise dazu beschaffen sind, die energetischen Zustände der Welt um uns herum zu sammeln. … Darüber hinaus ist jedes Bild mit genetischer und aus Erfahrung gespeicherter Information verbunden, die jeden von uns einzigartig macht. Aus diesem komplexen Integral konstruiert jeder von uns auf einem höheren Niveau von Wahrnehmungserlebnis seine eigene, sehr persönliche Sicht von innen heraus.“ [Vernon Mountcastle, zitiert nach Karl Popper, John Eccles, Das Ich und sein Gehirn, München 1987, S. 336]

Zum Nachdenken über Tags:

Halten wir also fest: Es besteht eine Kluft zwischen der Welt, wie sie draußen ist, und der Welt, wie sie sich uns in unserem Kopf darstellt. Was hält dann eine Gesellschaft zusammen?

Zur Vertiefung:

Für die Vertreter des Kulturkreis-Modells hält die Kultur die Gesellschaft zusammen. Verschiedene Kulturen haben unterschiedliche "Wahrheiten", d. h. Religionen, Ideologien, Weltanschauungen. Im Bürgerstaat lässt die Meinungsfreiheit die Menschen um die gemeinsame Überzeugung ringen und zu ihr finden. Religionen, Ideologien und z.T. der Parteienstaat sehen das anders.

Freitag: Die Krise der Christen

up