29. Was sagt die Genfer Flüchtlingskonvention?

Tagesgedanke:

Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und nach Artikel 12 a des Grundgesetzes sind alle „unrechtmäßige Flüchtlinge“, die ohne gültige Einreisepapiere auf dem Landweg nach Deutschland kommen.

Zum Nachdenken über Tags:

Schauen wir uns doch die Genfer Flüchtlingskonvention an. Hier wird viel Falsches verbreitet. Die Konvention unterscheidet klar zwischen Flüchtlingen, die rechtmäßig oder unrechtmäßig im Land sind. Wer ohne Erlaubnis einreist, ist unrechtmäßiger Flüchtling. Er kann zurück- oder ausgewiesen werden.

Das gilt nur nicht, wenn er unmittelbar aus einem Land einreist, indem sein Leben oder seine Freiheit wegen Verfolgung bedroht sind. Alle, die ohne Erlaubnis über Land aus unseren Nachbarländern einreisen, sind unrechtmäßige Flüchtlinge. Denn sie kommen nicht aus Ländern, in denen sie unmittelbar bedroht waren. [Art. 31 Genfer Konvention]

Genau so steht es auch im Artikel 16 a Grundgesetz (GG). Er wurde 1993 neu gefasst und selbstverständlich mit dem Völkerrecht abgestimmt, wozu die Genfer Konvention gehört. Nach Art. 16 a GG gilt:

„Auf Absatz 1 [= Recht auf Asyl] kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.“

Alle, die über Land (fast 100 %) nach Deutschland kommen, haben damit kein Asylrecht. Das gilt erst recht, wenn sie von dort ohne gültige Ausweise (über 70 %) die Grenze überschritten haben. In jedem Fall müssten sich Einreisende dann „unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen.“ [Art. 31 I Genfer Konvention]

Bei späterem Wegfall der Asylgründe kann ein Flüchtling in das Land seiner Staatsangehörigkeit oder ein Staatenloser in das Land seines ursprünglichen Aufenthalts zurückgeschickt werden [Art. 1 Genfer Konvention]. Unsere bisherige Verwaltungspraxis ist anders. Alle dürfen bleiben.

Auch rechtmäßige Flüchtlinge dürfen „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ ausgewiesen werden [Art. 32 Genfer Konvention]. Erst recht darf ein Straftäter, der anerkannter Flüchtling ist, bei schweren Straftaten oder Vergehen sogar in Gebiete ausgewiesen werden, „in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde“ [Art. 33 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Genfer Konvention]. Das gilt z.B. für Drogendealer, nach herrschender Meinung aber auch für jene, die ihre Ausweispapiere vernichtet oder gefälscht sowie Ausweisungshindernis absichtlich herbeigeführt haben. Der Vertragstext musste schon einiger Maßen vernünftig sein, sonst hätten ihn nicht fast alle, nämlich 137 von 193 Staaten dieser Welt ratifiziert.

Zur Vertiefung:

Schließlich kann die Genfer Konvention wie alle völkerrechtlichen Verträge jederzeit gekündigt werden. Das geschieht durch Erklärung gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nation mit Jahresfrist [Art. 44 Genfer Konvention]. Möglich wäre auch, weil ein milderes Mittel, dass wir eine zeitweilige Außerkraftsetzung der Konvention beschließen, und zwar „wegen schwerwiegender und außergewöhnlicher Umstände“ oder einer bei Vertragsschluss nicht absehbaren Notlage. Denn bei der Ratifizierung der Konvention durch Deutschland wurde an eine Völkerwanderung nicht gedacht. Eine Überforderung oder gar Selbstzerstörung ist niemand zuzumuten.

Ebenso kann das „Schengener Abkommen“ der EU bei Notlagen ausgesetzt werden. Auch hier wurde viel gelogen. Doch inzwischen weiß jeder Zeitungsleser, dass eine Aussetzung geht. Das gilt sowohl für die Tatsachen als auch für das Recht. Tatsächlich führt die Schweiz an ihren Grenzen Personenkontrollen durch. Wer oft dorthin fährt, weiß, dass dies den Personen- und Güterverkehr kaum behindert. Die Grenzbeamten schauen sich die Einreisenden an und winken Unverdächtige durch. Es stimmt einfach nicht, dass ohne Schengen die EU zusammenbricht; das tat sie all die Jahrzehnte davor auch nicht. Aber mit Schengen und dem Versagen der EU an ihren Außengrenzen besteht diese Gefahr.

Ist eigentlich eine Sicherung der EU-Außengrenzen möglich? Die Antwort ist einfach: Schon, wenn man nur will. Denn sowohl nach Griechenland als auch nach Italien reisen die Flüchtlinge unrechtmäßig ein. Hinzu kommt, dass sie nicht auf dem Festland, wo sie los fahren, sondern erst auf dem Meer an Leib und Leben gefährdet sind. Solange sie die Hoheitsgewässer der Türkei und Libyens ungehindert verlassen können, sind die aufnehmenden Staaten mitschuldig am Tod der Ertrunkenen.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten das zu verhindern. (1) Europa holt alle Einreisewilligen in Nordafrika mit Fähren ab. (2.) Oder es werden alle Bootsflüchtlinge nicht in die EU eingelassen bzw. sofort zurückgeschickt. Das Mittelmeer muss für sie aus humanitären Gründen gesperrt werden. Nach einer Woche wüsste jeder, dass die Überfahrt unmöglich ist. Die Gefahr wäre gebannt. Bei jedem lebensgefährlichen Fahrzeug oder Beförderungsmittel wird die Benutzung polizeilich verboten.

Die deutsche Flüchtlingspolitik spielt eine große Rolle bei der Abstimmung über den Brexit (Austritt Großbritanniens aus der EU). Denn nach fünf Jahren dürfen alle Flüchtlinge aus Deutschland ungehindert nach Großbritannien einreisen, was dort erhebliche Sorgen auslöst. Das wurde von vielen Briten deutlich ausgesprochen. - Ein Brexit wäre ein viel größerer Verlust für die EU als ein vorübergehneder Ausstieg Griechenlands aus dem Euro.

Strategisch-politisch können die großen Herausforderungen in der Welt des 21. Jahrhunderts nur in den jeweiligen Kulturkreisen selbst gelöst werden. Da können wir mithelfen. Das wird aber nur gelingen, wenn wir aufhören, dabei die westlichen Ideologien mitliefern zu wollen.

Das haben Helmut Schmidt, unser Altbundeskanzler, und Lee, langjähriger Ministerpräsident von Singapur, in ihrem „letzten Gespräch“ klar ausgesprochen. [Helmut Schmidt, Ein letzter Besuch, München 2013]

Lee: „Ich sehe darin [= weltweite Völkerwanderungen] eines der großen Probleme der Welt in den kommenden Jahrzehnten.“ Helmut Schmidt:  „Ich stimme Ihnen zu.“ [S. 158] Lee:  „Nun sehe ich die Gefahr eher in einem Bevölkerungsschwund [= in Europa]. Das bereitet mir Sorgen. Da sind auf der einen Seite die entwickelten Länder mit einer Technologie, die einen hohen Lebensstandard bietet, und auf der anderen Seite die Massen von Menschen, die sie um diesen Lebensstandard beneiden und legal oder illegal an ihm teilhaben wollen, aber nicht die Fertigkeiten und das Wissen besitzen, um die Wirtschaft zu führen und die Technologie zu meistern. … ja, und folglich wird es zu Grenzproblemen kommen. Deshalb glaube ich, dass Schengen nicht haltbar ist, weil die Menschen, Nordafrikaner und Schwarzafrikaner, das Mittelmeer überqueren, um nach Europa zu gelangen. Helmut Schmidt:  Es ist ein Weg in unvermeidliche Kriege. Lee:  Ja …“ [Helmut Schmidt, Ein letzter Besuch, München 2013, S. 44 ff.]

Das sind heute die großen strategischen Aufgaben. Dafür müssten unsere Politiker langfristige, nachhaltige politisch Lösungen erarbeiten. Die ärmeren Länder müssen ihre Wirtschaft entwickeln dürfen und können, ohne dass der globale Neoliberalismus alle zarten Keime zertritt.

Lesestoff: Erik S. Reinert, Warum manche Länder reich und andere arm sind, Stuttgart 2014

Als mündige Bürger sind wir aufgerufen, dabei mitzudenken!

Am kommenden Dienstag: Warum versagen unsere Politiker?

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