29. Wozu brauchen wir KI?

Alle Welt redet heute von KI [= künstliche Intelligenz]. Sie soll neu entdeckt sein und über Großrechner bald die menschliche Intelligenz übertreffen. Alles soll sich damit ändern: unser Privatleben, die Wirtschaft, der Staat, kurz alle Bereiche der Gesellschaft. Die einen betrachten das als Segen, die anderen als Fluch.

Wir werden uns dem Thema in drei Blog-Berichten nähern.

  1. Wozu brauchen wir KI?
  2. Der Mensch und die KI?
  3. Deutsche Wirtschaft und die KI?

Wir dürfen die Orientierung nicht verlieren. Dazu müssen wir uns den Überblick verschaffen und die Zusammenhänge erkennen. Das hieß früher Allgemeinbildung (vgl. Erziehung und Bildung, Weisheit und Wissenschaft). Nur Orientierung überwindet Unsicherheit und Ängste. Der Mensch muss „Herr des Geschehens“ bleiben. Andernfalls ereilt uns das Unglück von Goethes „Zauberlehrling“. Das gilt gerade für die KI!

Konfuzius wurde gefragt: „Meister, was müssen wir tun, um den Staat zu ordnen?“ Er antwortete: „Wir müssen die Begriffe klären.“ Fragen wir zuerst nach den Wortbedeutungen.

  • Intelligenz ist ganz einfach gesagt: Kluge Gedanken, schlaue Einfälle. Es ist das Denkvermögen, das wir Menschen besitzen, weil wir die Großhirnrinde haben. Das unterscheidet uns vom Tier.
  • Künstlich ist maschinell angefertigt, nicht natürlich. Es ist Menschenwerk.

KI ist kein Naturprodukt, sondern ein Kulturerzeugnis. (vgl. 8. Die Kultur hält eine Gesellschaft zusammen) Ohne Erfinder, Programmierer und Anwender keine KI!

Nun soll KI bald denken können wie ein Mensch oder sogar besser. Viele Tätigkeiten, die wir heute noch ausführen (müssen), soll künftig eine Maschine oder ein Rechner (Computer) oder gar ein Roboter erledigen, im Idealfall (!) sogar schneller, genauer und fehlerfrei.

Schon heute kann ein Computer Schach spielen, oft besser als ein Großmeister. Das Schachspiel selbst kann aber kein Computer erfinden.

Die Frage, die sofort auftaucht, heißt: Was kann nur ein Mensch und keine Maschine. Diese Frage stellt sich die abendländische Philosophie seit Newton (1643 – 1727) und Locke (1632 – 1704) sowie Leibniz (1646 – 1716) und Kant (1724 – 1804).

(Wir werden im nächsten Blog-Bericht „30. Der Mensch und die KI“ sehen, dass die Angelsachsen und die Deutschen darauf geradezu gegensätzliche Antworten hatten und haben.)

Auch ein Zufall kann nur eintreten, wenn es einen Rahmen und Regeln gibt, die dem Zufall die Möglichkeit geben, sich zu ereignen. Ein alltägliches Beispiel ist das Lotto. Ohne die Organisation einer Lotterie, ohne Gewinnregeln und  Menschen, die mitmachen, gibt es keine „zufälligen“ Gewinne. Diese Sache wird philosophisch und religiös, wenn wir fragen: „Wer hat den Rahmen und die Regeln geschaffen, nach denen die Naturgesetze, das Entstehung und Geschehen im Weltall ablaufen?“ Damit beschäftigen wir uns heute nicht.

Uns bewegt jetzt: Wie erreichen wir, dass eine Maschine denkt? Die Fachwelt sagt: „Dazu brauchen wir einen Algorithmus.“ Befragungen ergaben, dass nur 7% der Europäer wissen, was das Wort bedeutet. Die Wissenschaft, die Medien und die für die Bildung verantwortliche Politik haben also hier ihre Bringschuld nicht erfüllt.

Dabei ist ein Grundverständnis auch beim Algorithmus gar nicht schwer. Die Kurzerklärung im Duden lautet: „Algorithmus ist ein nach einem bestimmtem Schema ablaufender Rechenvorgang.“ Doch der Ausdruck wird über die Mathe und die IT-Technik hinaus verwendet: „Algorithmen bestehen danach aus endlich vielen, wohldefinierten Einzelschritten. Damit können sie zur Ausführung in ein Computerprogramm eingebaut, aber auch in menschlicher Sprache formuliert werden.“

Ein ganz einfaches Algorithmus-Beispiel ist ein Kochrezept, ein anderes der Ersatz des „Fräuleins vom Amt“ in der Fernmeldevermittlung durch die Selbstwahl. Telefonverbindungen müssen nicht mehr gestöpselt werden, die gewählte Nummer sucht sich selbst den Weg zum Ziel. Sehr neu sind der Rasenmäher und der Staubsauger mit Fühlern (Sensoren). Sie bearbeiten eine abgegrenzte Arbeitsfläche selbständig.

Der Motor hat die menschliche, tierische und natürliche Arbeitskraft wie Wasser- und Windmühlen ersetzt und vervielfacht. Nun werden durch Programmierung von Arbeitsgängen bei Maschinen die Arbeitsschritte automatisiert, d.h. selbsttätig hintereinandergeschaltet. Das brachte die Erfindung der numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen (CNC-Maschinen) seit den 1960er Jahren.

Werden nun diese Einzelmaschinen wieder mit einander verbunden, dann kommen wir zur digital voll vernetzten Fabrik, zur Industrie 4.0. Die Fließbandarbeit entfällt endgültig. Auch das ist nicht ganz neu. In den 1990er Jahren besuchte ich in Buchen-Hainstadt die Fa. Bott-Eder. Dort wurden Dachziegel hergestellt. Vom Abgraben des Tons über das Ausstanzen der Formen, dem Brennen der Ziegel bis zur Lagerung lief alles selbsttätig ab. Die große Fabrikhalle war menschenleer. Fachkräfte schauten nur, wo etwas stockte. Genau das ist KI mit einem wohldefinierten Algorithmus.

Betrachten wir noch zwei Aufgaben, die sehr wichtig und nutzbringend wären. Es geht (1.) um die Steuerung der Produktion durch die Kunden, nennen wir es die „kluge Ladenkasse“. Und dann bräuchten wir (2.) die zeitgleiche Übersetzung von einer Sprache in die andere; das wäre der „Dolmetscher hinterm Ohr“.

 Die „kluge Ladenkasse“ ist durchaus möglich und wäre für alle Beteiligten von Nutzen. Sobald heute ein Artikel über den Scanner gezogen wird, erscheint auf dem Bildschirm an der Kasse der Preis. Doch die Meldung müsste elektronisch in die Buchhaltung und Betellabteilung weitergehen. Dort kann KI auswerten, wie viele Artikel noch da sind oder ob automatisch eine Bestellung übers Internet abgeschickt wird. Wenn diese in der Fabrik eingeht, bearbeitet KI nicht nur den Versand, sondern entscheidet auch, ob im Lager noch genügend Vorrat ist oder die Fertigung von Nachschub angeworfen wird. Läuft der ganze Vorgang vom Kauf über die Bestellungen bis zur Herstellung selbsttätig ab, dann steuert der Kunde – wir können sagen – von unten die Produktion: Marktwirtschaft in Reinform!

Das zweite Beispiel ist der „Dolmetscher hinterm Ohr“, am besten in der Größe eines modernen Hörgeräts für Schwerhörige. Das wäre nur die Vervollkommnung und Verknüpfung von Spracherkennung und automatischer Übersetzung. Beides gibt es schon, weist aber noch erhebliche Fehlerquoten auf. Wir haben hier deutlichen, aber sehr nutzbringenden Forschungs- und Entwicklungsbedarf (F & E).

Der Personalchef von Heideldruck, Rupert Felder, meinte in einem Vortrag (20.11.18), dass dies nicht nur blad komme, sondern auch unser ganzes Schulsystem umkrempeln könnte. Fremdsprachen seien dann nicht mehr so wichtig. Das gäbe Raum für andere, naturwissenschaftliche, technische und sonst nützliche Fertigkeiten. Wenn sich unser Wissen alle zehn Jahre verdoppelt, dann können wir uns die vielen Unterrichtsstunden für Fremdsprachen vielleicht nicht mehr leisten. Denn zumindest bildungsmäßig, also im Überblick und in Kenntnis der Zusammenhänge, müssen wir alle die Orientierung behalten.

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