Kategorie: Bürger im Bürgerstaat


16. Wie viele wollen noch kommen?

Tagesgedanke: Es sind viele Millionen Menschen, die nach Europa wollen.   Zum Nachdenken über Tags:

Umfragen zeigen: „Rund 450 Millionen Menschen aus Subsahara-Afrika und aus dem arabischen Raum zwischen Marokko und Oman würden heute gerne auswandern. …  2009 erfragte Prozentsätze [ergaben] Subsahara: 38 Prozent, arabischer Raum: 23 Prozent.“ [Handelsblatt, 30.07.2015, S. 48]

Der Wirtschaftswissenschaftler Erik Reinert sagt es so: „UNO-Daten zufolge gibt es heute eine Milliarde Menschen, die hungern. Dies lässt sich nicht lösen, indem wir einfach alle Hungernden in die EU und die USA verfrachten. Die einzige Lösung besteht darin, die heute armen Länder zu industrialisieren, so wie es vielen Ländern Asiens gelungen ist.“ [Erik Reinert, Warum manche Länder reich und andere arm sind, S. 218]

  Zur Vertiefung:

Die Industrielaisierung wird nur gelingen, wenn sie von unten nach oben über die Landwirtschaft, das Handwerk, dann mit Klein- und Mittelunternehmen aufgebaut wird.

Dabei dürfen diesen Ländern nicht die Fachkräfte abgeworben werden; wir dürfen sie nicht als „Bildungsflüchtlinge“ weglocken. Außerdem brauchen diese aufkeimenden, jungen Volkswirtschaften gezielte Schutzräume, wirksame Biotope, bis sie dem rauen Weltmarkt gewachsen sind.

So gingen zunächst alle heute erfolgreichen Industrieländer vor, von England über die USA bis Deutschland, Japan und das heutige China. Denn junge, heranwachsende Wirtschaftskörper müssen vor dem Zugriff der multinationalen Konzerne und der globalen Finanzwirtschaft geschützt werden. Der Verkauf des Ackerlands an „Landgrabscher“, der Ölquellen an BP oder Esso, des Wassers an Nestlé, der Fischgründe vor Westafrika an die EU sind eine neoliberale Globalisierung, die die Armut steigert, statt zu überwinden.

Das alles sind ständige und wichtige Anliegen einer Sozialen Volkswirtschaft. Sie ist der Gegenentwurf zum grenzenlosen Neoliberalismus, den manche Raubtierkapitalismus nennen.

Lesestoff:

Kurt Egger / Uwe Korus (Hrsg.), Öko-Landbau in den Tropen, Stiftung Ökologie & Landbau, Heidelberg 1995 [Egger ist mir durch einen Vortrag persönlich bekannt; er überzeugte.]

Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg (Hrsg.), Wurzeln des Wohlstands, Stuttgart 1984 [Benz und Bosch und viele heute unbekannte Erfinder, Unternehmer und fleißige Schwaben sind die Wurzeln unseres Wohlstands. Anmerkung: Ich bin Badener.]

Fred Pearce, Land Grabbing, Der globale Kampf um Grund und Boden, München 2012

Jean Ziegler, Das Imperium der Schande, Der Kampf gegen Armut und Unterdrückung, München 2005 [anschaulich und überzeugend aufgrund der persönlichen Erfahrungen Zieglers als „UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung"  von 2000 bis 2008.]

Unser nächster Tagesgedanke am 07. Januar 2016: Schaffen wir die Integration? Wir wünschen allen Blog-Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein friedliches Jahr 2016.

11. Strategie für Europas Politik im 21. Jahrhundert

Der Tagesgedanke: Das oberste strategische Ziel europäischer Politik ist das langfristige Überleben Europas, seiner Kultur und seiner Nationen in Frieden und Freiheit bei angemessenem Wohlstand. Zum Nachdenken über Tags:

Nach Clausewitz, dem großen Philosophen vom Krieg, konzentriert sich Strategie auf das ganz Wesentliche und Wichtige. Sie ist ganz einfach, aber gerade deshalb für viele so schwer. [Carl von Clausewitz, Vom Kriege, ungekürzter Text, Ullstein 1980, S. 108, 150]

Oberstes strategisches Ziel jeder Gemeinschaft oder Organisation ist die Sicherung des langfristigen Überlebens. Nachhaltigkeit wird heute oft gefordert. So ist – nach Clausewitz – zu Recht das letzte strategische Ziel des Krieges nicht der Sieg, sondern der Friede. [Clausewitz, a.a.O., S. 104 f]

Warum können so viele Politiker, Feldherrn und Wirtschaftslenker nicht strategisch denken? Sie probieren es gar nicht. Sie kennen nur den Kampf um die Macht, die Taktik und das Tagesgeschäft. „Der Weg ist das Ziel“, sagen sie. Strategen wissen: „Ohne Ziel ist jeder Weg fasch.“ „Fahrt ins Blaue“ bedroht in Politik und Wirtschaft das Überleben.

Zwar wird - von strategischen Denkern - der strategische Weg „leicht gefunden“; doch sofort beginnen die Hürden. Denn „diesen Weg unverrückt zu verfolgen, den Plan durchzuführen, nicht durch tausend Veranlassungen tausendmal davon abgebracht zu werden, das erfordert außer einer großen Stärke des Charakters eine große Klarheit und Sicherheit des Geistes“. [Clausewitz, a.a.O., S. 150]

Zur Vertiefung:

Es gab schon Politiker in Deutschland, die strategisch dachten: Otto von Bismarck, Konrad Adenauer, Helmut Schmidt. Ihr Denken und Handeln sind beispielhaft. Das brauchen wir, wenn wir im nächsten „Tagesgedanken“ über das Ziel „Weltfrieden statt Krieg der Kulturen“ im 21. Jahrhundert nachdenken.

Carl von Clausewitz, Vom Kriege, ungekürzter Text, Frankfurt / M. 1980 - Internet-Ausgabe

Donnerstag: Weltfrieden statt Krieg der Kulturen!

8. Die Kultur hält eine Gesellschaft zusammen

Der Tagesgedanke: Die Kultur ist eine große Gemeinschaftsleistung.

„Kultur ist die Gesamtheit der durch menschliche Arbeit geschaffenen materiellen und geistigen Werte und durchdringt alle Lebensbereiche.“ [so auch DGB 1981] Kultur können nur Menschen schaffen; Tiere sind ganz Natur. Kultur kommt von „colere“, bebauen und pflegen der Felder. Ackerbau und Viehzucht sind frühe Kulturformen. Die Kultur ist zeit- und raumabhängig. Zur gleichen Zeit haben unterschiedliche Völker auch verschiedene Kulturen. Und im Lauf der Geschichte ändert sich die Kultur eines Volkes und eines Kulturkreises.

Mächtige kulturelle Kräfte sind die Sprache, die Religion, das Recht, Sitten und Ethik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Zum Nachdenken über Tags:

Es gibt eine europäische Kultur vom Altertum bis heute. Sie unterscheidet sich von außereuropäischen Kulturen, die vor allem seit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes (1989) ihren eigenen, gleichwertigen Platz in der Welt fordern. Die Welt des 21. Jahrhunderts wird multikulturell sein.

Doch eine multikulturelle Gesellschaft wird sozial und geistig tief gespalten sein. Der Kampf der Kulturen in der Welt wird zum Kulturkampf im Land. Bürgerkrieg liegt in der Luft. Es gibt sie schon, die „tief gespaltenen Gesellschaften“ in „zerfallenden Staaten“.

Kultur ist eine Gemeinschaftsleistung. Alle Arbeitsteilung muss in eine Arbeitszusammenführung münden. Kultur überwindet so den reinen Individualismus, was gut Gustav Radbruch darstellt: „Denn jegliche Gemeinschaft ist Gemeinschaft einer gemeinsamen Sache, einer gemeinsamen Arbeit, eines gemeinsamen Werkes, einer gemeinsamen Kultur." [Einführung in die Rechtswissenschaft, Leipzig 1925, S. 30 ff.]

Zur Vertiefung:

Ein Klassiker zur Kulturtheorie ist Norbert Elias. Er spricht wie die Angelsachsen von Zivilisation und meint Kultur. Wir Deutschen kennen beide Begriffe, wobei Zivilisation oft einen abwertenden Einschlag hat (z.B. Zivilisationskrankheiten). In seinem Hauptwerk „Über den Prozeß der Zivilisation“ zeigt Elias, wie unentrinnbar die eigene Kultur einen Menschen prägt:

„Der Einzelne hat in dieser Hinsicht keine sehr große Wahl. Er wird in eine Ordnung und in Institutionen bestimmter Art hineingeboren; … Und selbst wenn er diese Ordnung und diese Institutionen wenig schön und zweckmäßig findet, kann er nicht einfach seine Einwilligung zurückziehen und aus der bestehenden Ordnung herausspringen. … er mag sich am Ende auf eine einsame Insel flüchten, noch als Flüchtling vor dieser Ordnung ist er ihr Produkt. Sie zu missbilligen …, ist kein geringerer Ausdruck der Bedingtheit durch sie, als sie zu preisen und zu rechtfertigen.“ [Über den Prozeß der Zivilisation, Bern 1969, Bd. II, S. 475]

Lesestoff:

Umfassend und hervorragend belegt bis in die Gegenwart: Jörg Frisch, Artikel „Zivilisation, Kultur“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hg. von Otto Brunner u.a., Stuttgart 1972 - 1992, Band 7, Seite 679 – 774

Gerhard Pfreundschuh, Die kulturelle Umweltzerstörung in Politik und Wirtschaft, Analyse und Gegenstrategie, Mainz 1993, Kapitel „Kultur und Gemeinschaft“, S. 50 ff.

Enzensberger, Hans Magnus, Aussichten auf den Bürgerkrieg, Frankfurt/M. 1993 - hier: kurze Buchbesprechung

Dienstag: Welche Eigenschaften verlangen die Bürger von Politikern?

7. Die Dogmen und die Wahrheit

Tagesgedanke: Immer mehr Menschen in Europa glauben nicht mehr an die Wahrheit der kirchlichen Dogmen.

Dogma ist ein kirchlicher Lehrsatz mit dem Anspruch, unumstößlich wahr zu sein, weil er Gottes Offenbarung entspringt.

Als junger Geschichtsstudent bekam ich - wie damals viele - starke Zweifel, auch am „Kern der Offenbarung“, der Bibel. Es war die Zeit des II. Vatikanischen Konzils. Ich kannte gut einen angesehenen Theologieprofessor für Kirchengeschichte. Oft engagierte er mich als Fahrer. Auf den langen Autofahrten schwieg er bei all meinen Fragen eisern. Nur einmal sagte er: „Es war falsch, mit den Werkzeugen des Historikers an die Heiligen Texte heranzugehen.“ Ich schloss: „Sie halten der Prüfung nicht stand.“

Mit ihm begegnete ich anderen Theologieprofessoren. Da wurde dann offen gesprochen. Die Ablehnung reichte von der Jungfrauengeburt Mariens bis zur Gottesnatur Christi, die erst die Konzile von Nicäa (325 n. Chr.) und Chalcedon (451 n. Chr.) zum Dogma machten - nach heftigem Streit. Doch jeden Sonntag verkündeten diese gelehrten Priester ihren „Schäflein“ das Gegenteil der eigenen Überzeugung. Ich war erschüttert.

Zum Nachdenken über Tags:

Den Kirchen fehlt ein wichtiger Schritt ins Europa des 21. Jahrhundert. Sie begehen die Sünde von Luzifer, wenn sie sich anmaßen, wie Gott die Wahrheit voll ergründen und verkünden zu können. Denn dieser Erzengel wollte wie Gott sein und wurde dadurch zum Teufel. Im heutigen Europa müssten die Kirchen ihre Gläubigen sogar auffordern: „Habt den Mut, euch eures eigenen Verstandes zu bedienen.“ (Immanuel Kant) Die meisten Menschen suchen Gott. Doch die Hoffart und Anmaßung der Dogmatiker und Kirchenfürsten stößt sie ab. Religion ist Menschenwerk. In Europa funktioniert die Glaubensverordnung von oben nicht mehr.

Wir sollten gemeinsam, bis zum letzten Gläubigen um einen tragfähig, zeitgemäßen Glauben ringen. Das wäre die alte Konzils-Idee in neuer Form. Dann würden nicht mehr Prediger, die die Kirche füllen und die Dogmen hinterfragen, zum Erzbischof zitiert, mit ihrem Gelöbnis des „bedingungslosen Gehorsams“ geknebelt und der Gewissensfreiheit beraubt. Vernunft statt Macht! Ein weiteres, drittes Vatikanum ist nötig, um ehrlich und offen über das zu streiten, was mit Wahrhaftigkeit heute geglaubt werden kann.

Zur Vertiefung:

Lehrbücher zur Dogmatik sind z.T. nah am „Kritischen Rationalismus“ von Karl Popper. So heißt es: „Jeder menschliche Satz über Gott muss notwendig hinter der vollen Wahrheit Gottes zurückbleiben.“ [Johanna Rahner, Dogmatik, S. 22] „Nur die Wahrheit Gottes selbst ist unfehlbar; Kirche kann nur immer wieder versuchen, diese Wahrheit Gottes angemessen und sichtbar vorzuleben.“ [ebenda, S. 106]

„Die Kirche soll von der Wahrheit sprechen, aber auch wissen: Keiner besitzt sie. Wir sind alle auf der Suche. … Doch gilt auch die Erkenntnis Karl Rahners: ‚Jede Wahrheit kann eine Minute nach ihrer Verkündigung schon falsch sein.‘“ [Johanna Rahner im Gespräch mit „Die Zeit“]

 Lesestoff:  Johanna Rahner, Einführung in die katholische Dogmatik, Darmstadt 2008 Donnerstag: Die Kultur hält eine Gesellschaft zusammen

6. Die Krise der Christen

Tagesgedanke: Den Kirchen laufen die Leute weg. Sie sind in Verkündungsnot. In meiner Jugend gingen wie die Generationen davor alle Katholiken sonntags in die Kirche. Einige Male fragte der Religionslehrer montags, wer am Sonntag nicht drin war. Da waren es einer, höchsten drei, die er dann am Ohr zupfte. Im Heidelberger Stadtteil Handschuhsheim gab es sonntags vier gut besuchte Gottesdienste (7:00, 8:00, 9:30 und 11:00 Uhr). Ein Stadtpfarrer mit dem Titel „Geistlicher Rat“ und zwei Kapläne leisteten das. Heute gibt es in dieser Kirche (St. Vitus) sonntags keinen Gottesdienst mehr. Seit dem 1. Januar 2015 bilden ehemals zwölf katholische Pfarrgemeinden eine einzige Seelsorgeeinheit: die „Katholische Stadtkirche Heidelberg“. Es fehlen die Priester und die Kirchgänger. Wie es bei den Evangelischen ist, kann ich nicht sagen. Zum Nachdenken über Tags: Jeder kann sich fragen, wie tiefgreifend sich der Wandel in der eigenen Familie vollzogen hat. In unserer Familie und großen badischen Verwandtschaft gingen damals sonntags alle in die Kirche, waren gute Katholiken. Bei meiner Frau im katholischen Münster / Westf. war es genauso. Heute geht von unseren zahlreichen nahen Verwandten niemand mehr sonntäglich in die Kirche. Immer mehr sind zu meiner Überraschung aus der Kirche ausgetreten. Das erfährt man, wenn man Taufpaten sucht. Zur Vertiefung: Was ist passiert? Auslöser, nicht Ursache war das II. Vatikanische Konzil (1962 – 1965). Die einen haben sich mit der „neuen Kirche“ nicht mehr angefreundet; die anderen sind sich ihrer unterschwelligen Zweifel bewusst geworden. Das ... newtab weiterlesen

3. Wer besitzt die Wahrheit?

Tagesgedanke: Es gibt in der Wissenschaft zwei Ansichten zur Wahrheit - Die einen sagen: „Die Wissenschaft kann die reine Wahrheit erkennen.“ Denn die Wirklichkeit um uns herum spiegelt sich klar und richtig im vernünftigen menschlichen Hirn wider. Diese „Widerspiegelungstheorie“ war im 19. Jh. die herrschende Ansicht. An sie glaubt noch der „wissenschaftliche Marxismus“. - Die anderen sind überzeugt: „Was wirklich wahr ist, können wir nicht mit Sicherheit sagen.“ Nur durch die Widerlegung von wissenschaftlichen Theorien, die sog. Falsifizierung, erkennen wir die Wirklichkeit Stück für Stück besser. Das ist das Popper-Kriterium, weil Karl Popper diesen Denkansatz entwickelt hat. Er ist heute herrschend. Die Befürworter nennen sich „kritische Rationalisten“. Zum Nachdenken über Tags: Es gibt sie noch die Anhänger der Widerspiegelungstheorie oder des Glaubens an „wahre Erkenntnis“, die ewig gilt. Sie sagen: „Das ist doch evident.“ Das heißt so viel wie offenkundig, jedem einsichtig. Dazu sagen Popper-Anhänger: „Es ist für jedermann einleuchtend, dass die Sonne morgens im Osten aufgeht, dann wandert und mittags hoch im Süden steht; abends verschwindet sie im Westen. Trotz dieser „Evidenz“ dreht sich die Erde um die Sonne und nicht umgekehrt. Zur Vertiefung: Der teilweise Zusammenbruch der großen naturwissenschaftlichen Theorie von Newton durch Einsteins Relativitätstheorien, und die teilweise Widerlegung von Einstein durch die Quantentheorie von Planck u.a. überzeugten Popper: nur Falsifizierung, keine Verifizierung [Wahrheitsbeweis] ist uns möglich. Wissenschaftlich is ... newtab weiterlesen

50. Die EZB vor Verdun

Tagesgedanke: Die EZB will die Arbeitslosigkeit, den Investitionsstreik und die Wirtschaftsschwäche bezwingen. Doch seit Jahren rennt sie mit der falschen Strategie und unwirksamen Mitteln gegen ein mächtiges Bollwerk. Die Verluste werden immer größer, der Sieg unmöglich. Zum Nachdenken über Tags: EU, die Regierungen in der EU und die EZB stehen vor der Arbeitslosigkeit, dem Investitionsstreik und der Wirtschaftsschwäche wie der „Ochs vorm Berg“. Um diese riesigen Aufgaben zu bewältigen, haben sie nur zwei stumpfe, abgenutzte Waffen: (1.) die Geldschwemme aus der Druckerpresse und (2.) massiv steigende Staatsschulden. Hinter (1.) steckt die Angebotstheorie der Klassiker und Monetaristen. Viel Geld zu billigen Zinsen sollte danach bei den Unternehmern Investitionen und Güterangebote auslösen. „Das Angebot schafft sich seine Nachfrage“, sagen sie. Die Wirtschaft komme ins Gleichgewicht, alle fänden Arbeit. – Wir sehen seit 2007, dass das Gegenteil der Fall ist. (2.) Da hatte Keynes während der großen Weltwirtschaftskrise (1929 – 1936) eine andere Idee: es nützt das beste Warenangebot nichts, wenn die Leute kein Geld haben zu kaufen. Der Staat müsse die Nachfrage ankurbeln. Dazu müsse er investieren und so Arbeit anbieten. Dafür dürfe er Schulden machen. Wenn die Wirtschaft wieder gut laufe, könne er wieder sparen. Seit 2007 sind die Staatsschulden massiv gewachsen und die Investitionen im gleichen Maß gesunken. Mehr Weisheit haben die Wirtschaftswissenschaft und die Politik bis heute nicht. Die EZB setzt seit 2008 beide Mittel ein; sie senkte die Zinsen auf null, übers ... newtab weiterlesen

49. Wohin steuert China?

Tagesgedanke: Die Chinesen glauben nicht an die „unsichtbare Hand“ der Neoliberalen. Sie denken strategisch und langfristig. Sie kämpfen mit taktischer List. Zum Nachdenken über Tags: Der Westen meint, für China könne es nur eine Entwicklung geben: „Hin zu einer westlichen Gesellschaft mit Marktwirtschaft und liberalem Rechtsstaat. Dabei wird übersehen, dass das Land bewusst einen anderen Weg einschlägt.“ Das ist das Urteil des Juristen und Chinakenners Harro von Senger (geb. 1944). Der Schweizer war von 1998 bis 2009 Professor für Sinologie an der Uni Freiburg im Breisgau. Er hat sich ein Leben lang mit China und chinesischem Denken beschäftigt. Auch wer nur genauer die Wirtschaftspresse verfolgt, muss erkennen, dass die Chinesen die Marktwirtschaft nur als taktisches Mittel, nicht als strategisches Ziel im Auge haben. Dabei sind altes chinesisches Denken und Handeln mit dem sogenannten Sinomarxismus verschmolzen. Altkanzler Helmut Schmidt berichtete im „Tagesspiegel“ über ein Gespräch mit dem greisen Deng, dem tatsächlichen Machthaber von 1979 – 1997. Helmut Schmidt sagte: „Eigentlich habt ihr euch doch einen ganz falschen Namen gegeben. Ihr nennt euch Kommunistische Partei, dabei müsstet ihr Konfuzianische Partei heißen.“ Einen Augenblick stutzt Deng, dann sagt er: „So what!“ Auf Deutsch „Was hast du dagegen!“ Schmidt meinte, Deng sei weit weniger Kommunist als Konfuzianer. Es gibt wenige, die wie von Senger das chinesische Denken und Recht, die Unterlagen der kommunistischen Partei und die amtlichen Planungen Chinas sorgfältig studiert haben. Danach bilden drei De ... newtab weiterlesen

48. Die Tschechen machen es richtig!

Tagesgedanke: Die Tschechen sind EU-kritisch, haben keinen Euro – und sind damit sehr erfolgreich.   Zum Nachdenken über Tags: Die Tschechen blicken mit Abstand auf die EU und die Brüsseler Kommandozentrale. Es ist einmal der dortige Zentralismus; er bedroht erneut die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks erlangte junge Souveränität. Dass ihnen alles so genau vorgeschrieben wird, das haben sie von einem freien Europa nicht erwartet. Hinzu kommt: „In Umfragen ist das Vertrauen der Tschechen in die Europäische Union seit der Schuldenkrise und der Flüchtlingskrise stetig gesunken“, erkennt sogar Matthias Barner von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. [Handelsblatt, 10.10.2016, dort auch die folgenden Daten.]   Zur Vertiefung: Die Arbeitslosenquote bewegt sich auf einem historisch niedrigen Niveau von voraussichtlich 4,4 % für 2017 (zum Vergleich: Deutschland 5,9 %). Das Wirtschaftswachstum wird für 2016 mit deutlich über 2,5 % und damit über dem EU-Durchschnitt und Deutschland errechnet (Prognose für Deutschland in 2016: 1,9 %). Wenn dies anhält, kann Tschechien in absehbarer Zeit zum Wohlstandsniveau Westeuropas aufschließen. „Die Tschechen wollen sich bei ihrer Aufholjagd nach mehr Wohlstand nicht vom Weg abbringen lassen – schon gar nicht mit der Übernahme von mehr Verantwortung innerhalb Europas.“ [Handelsblatt, 10.10.2016] Hier stellt sich eine spannende Frage: Brüssel verkauft sich immer als der Motor für mehr Wohlstand, Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum usw. Tatsächlich ersticken der Zentralismus und die Umverteilung, die Fehlanreize für Sozialtran ... newtab weiterlesen

47. Politik: notwendiger Wandel

Tagesgedanke: „Die Leute wählen gemäß ihren Erwartungen, nicht gemäß ihrer augenblicklichen Lage.“ [Alfred Gusenbauer, ehem. österr. Bundeskanzler, SPÖ, im SRF 1]   Zum Nachdenken über Tags: Das ist eine wichtige Erkenntnis. Wer ihr zustimmt, bescheinigt den Bürgern politische Reife und ein richtiges Politikverständnis. Denn Politik bedeutet seit ihrer Entstehung (um 1500), den notwendigen, zeitgemäßen Wandel durchzuführen. Sie ist auf die Zukunft ausgerichtet; und die Bürger verlangen von den Politikern außer Vertrauen, vor allem Voraussicht und Sachverstand. Reformstau ist Politikversagen. Beim letzten „Handelsblatt Clubgespräch“ war Hans-Werner Sinn, Deutschlands derzeit bekanntester Wirtschaftswissenschaftler, Vortragender und der Meinung: „Es ist jetzt nicht die Zeit des Aussitzens. Wir brauchen einen ernsthaften Diskurs über die Zukunft Europas.“ [Handelsblatt, 10.10.2016] Nach seiner Analyse war der Brexit vor allem eine Folge der Flüchtlingspolitik von Merkel und des „Euro-Desasters“. Die Sogwirkung der Willkommenskultur und die rechtswidrige Öffnung der Grenzen, kurz die Zuwanderung, beherrschten die Austrittsdiskussion. Hinzu kam der mögliche EU-Beitritt der Türkei. Dazu macht der Handelsblatt-Bericht eine beachtenswerte Feststellung: „Während Sinn mit solchen Thesen in Fernseh-Talkshows wohl einen Sturm der Entrüstung entfachen würde, erntete er an diesem Abend im historischen IG-Farben-Haus der Universität Frankfurt allseitiges Kopfnicken und am Ende langanhaltenden Applaus.“ – Vom Moderator wurde er nach seinem Vortrag als überzeugter und leidensch ... newtab weiterlesen

44. Wird die Globalisierung ganz anders laufen?

Tagesgedanke: Die Neoliberalen bekommen Gegenwind – auch aus den Schwellenländern.    Zum Nachdenken über Tags: Auf Betreiben Chinas haben die BRICS-Staaten eine eigene „Neue Entwicklungsbank“ (NDB = New Development Bank) gegründet. BRICS steht für die Länder Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika. Der Sitz der Bank ist Schanghai, Chef ist K. V. Kamath, der angesehenste indische Banker. China hat zudem dafür gesorgt, dass die „Asiatische Infrastruktur und Investitionsbank“ (AIIB)  geschaffen wurde. Sie zielt wohl auf die kleineren und mittleren ostasiatischen Staaten. Erklärtes Ziel beider Einrichtungen ist, eine Alternative zu den Washingtoner Institutionen (Weltbank, IWF, WTO) und ihrer neoliberalen Ideologie zu sein. Das gilt für die Inhalte sowie für die Verhandlungen über Klima, Handelsverträge und weltweite Zusammenarbeit. Zur NDB gab ihr Vorstand K. V. Kamath dem Handelsblatt ein aufschlussreiches Interview. „Wir wollen nicht nur ein Beispiel setzen für die besseren Standards in der Entwicklungszusammenarbeit, sondern die kommenden Standards setzen.  ... Wir sind eine Institution des neuen Jahrhunderts“, verkündet stolz Kamath. [Handelsblatt 07.06.2016] Die Wirtschaftskraft der BRICS-Länder ist mit 16 Bill. $ knapp so groß wie die der USA, hat z. T. aber deutlich höhere Wachstumsraten. Entsprechend selbstbewusst und ehrgeizig ist das Auftreten. Man will nicht nur schneller sein als die Washingtoner Institutionen, sondern betont auch die andere Weltsicht und Denkweise. Zur Verteifung: „Wir haben eine andere Geisteshaltung“, betont ... newtab weiterlesen

43. Die Bringschuld der Wissenschaft

Tagesgedanke: Die Wissenschaft verschafft uns immer schneller, immer mehr Wissen. Der Überblick und das Verständnis der Zusammenhänge werden immer wichtiger. So wird Bildung zur Bringschuld der Wissenschaftler.   Zum Nachdenken über Tags: Wir müssen hier unseren Tagesgedanken „39. Erziehung und Bildung, Weisheit und Wissenschaft“ fortsetzen. Bildung vermittelt Orientierung im Leben, Überblicke und Verständnis der Zusammenhänge. Wissenschaft will es dagegen ganz genau wissen. Sie dringt bis zu den Einzelheiten und Besonderheiten ihres Faches vor. Oft sieht es so aus: Je mehr wir wissen, umso weniger verstehen wir. Was ist passiert? Die Fortschritte in Wissenschaft und Technik, in Staat und Gesellschaft haben sich so beschleunigt, dass wir sie oft nicht mehr ordnen und verstehen können. Vor uns liegt dann ein Durcheinander. Die Entschuldigung heißt: Die Welt ist zu ‚komplex‘ geworden. ‚Komplex‘ und ‚kompliziert‘ heißt auf Deutsch ‚verwickelt‘. Doch was verwickelt ist, das müssen wir entwickeln, aufrollen und durch klares Denken offenlegen. Hier haben Wissenschaftler und Bildungspolitiker eine Bringschuld gegenüber der Gesellschaft, der Jugend und den Bürgern. Sie müssen ihre Erkenntnisse in allgemein verständliche Bildung umformen, damit die Bürger sie für Lösungen nutzen können. Es war ein Markenzeichen deutscher Denker und Gelehrter, ihr Wissen und ihre Wissenschaften sauber zu strukturieren, klar und verständlich darzustellen. Hier ist viel verloren gegangen. Für die Richter und Juristen sagte 2011 Konrad Redeker (1923 – 2013), der langjährige Herausgeber der ... newtab weiterlesen
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